Wider die Ökonomisierung der Demokratie
Folgte man diesem Effizienzgedanken, wäre das Fusionieren zu Großgemeinden nur folgerichtig. Auch die Anzahl der Bundesländer müsste reduziert werden, und durch die Schaffung einer zentralen Regierung in der Bundeshauptstadt könnten die letzten Effizienzgewinne gehoben werden. Nur ist Verwaltungseffizienz nicht das verfassungsrechtlich gebotene Maß unserer föderalen Demokratie. Diese sieht demgegenüber eine gegliederte, mehrstufige Struktur vor, welche sich „von unten”, nämlich von der Ebene Gemeinden über die Länder bis zum Bund aufbaut. Dabei kommt den Gemeinden die Aufgabe zu, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln (Art. 28 GG). Theodor Heuss beschrieb die Kommunen mithin richtigerweise als „Keimzellen der Demokratie”. Aus diesem Grund widersprach ebenfalls bereits das Bundesverfassungsgericht in seinem sog. Rastede-Urteil ausdrücklich dem Entzug von Aufgaben der Gemeinden aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit öffentlicher Verwaltungen. Stattdessen sei der politisch-demokratischen Beteiligung der örtlichen Bürgerschaft an der Erledigung öffentlicher Aufgaben der Vorzug zu geben. Man sollte sich insofern in den ansetzenden Diskussionen über kommunale Strukturreformen immer auch vergegenwärtigen, dass demokratische Prozesse nun mal auch Geld kosten und sich dem ökonomischen Effizienzstreben entziehen. Das bedeutet auch, dass Gemeinden für ihre Aufgaben nicht zu groß ausfallen dürfen, um eine ausreichende Bürgernähe zu gewährleisten. Demokratie ist eben manchmal auch anstrengend, und das ist richtig so.
Der Diskussion um kommunale Reformen sollte deshalb m.E. eine andere Richtung gegeben werden, da sich unser Gemeinwesen mittlerweile mehr und mehr zu einer Demokratie „von oben” entwickelt. Was sicherlich ein Grund für die zunehmende Politikverdrossenheit der Bürger und die geringe Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen ist. So verrät allein ein Blick in den Haushalt unserer Gemeinde Barendorf, dass über 75 % ihrer Steuereinnahmen als Transferleistungen an den Landkreis Lüneburg und die Samtgemeinde Ostheide abgeführt werden. Die Handlungsspielräume der Gemeinden „die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu regeln” sind entsprechend eingeschränkt, was deshalb bereits ihre Existenz infrage stellt. Vor diesem Hintergrund wäre die Einführung des ursprünglich im Steuerrecht vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Halbteilungsgrundsatzes geboten, um diese gesetzlichen Transferleistungen von Gemeinden zu deckeln. Dies sollte die Diskussion über kommunale Strukturreformen vielmehr in Richtung der Deregulierung lenken, und damit ein anderes Schlaglicht auf die Frage der Verwaltungseffizienz werfen. Ist es denn zum Beispiel wirklich notwendig, dass Gemeinden jährlich einen nach handelsrechtlichen Grundsätzen aufgestellten und geprüften Jahresabschluss vorlegen müssen. Jeder freiberufliche Arzt, der oftmals über mehr Einnahmen als eine kleine Gemeinde verfügt, ist lediglich zur Vorlage einer einfachen Einnahmen-Überschussrechnung verpflichtet. Warum sollte wahlweise deren Erstellung nicht auch einfach dem örtlichen Steuerberater übergeben werden? Und anstatt gegenüber dem Rechnungsprüfungsamt sollten die Kommunalpolitiker dann besser ihren Haushalt gegenüber ihren Bürgern vertreten. So lassen sich mit gutem Willen eine Vielzahl von Aufgaben und Regelungen finden, von welchen die Gemeinden zu entlasten wären, um der Demokratie „von unten” wieder ausreichend Luft zum Atmen zu verschaffen. Allein die Landes- und Bundesgesetzgeber müssten hier mitspielen …